Warum solche Wege?
Einst ein Grundwassersee, danach ein Biotop und bald eine Deponie!?
Seit über 20 Jahren werden den Bürgern und Naturschutzverbänden immer wieder Naturschutzbeiträge amtlich zugesichert, die Jahre später aber wie Seifenblasen zerplatzen weil die Kreisverwaltung in Coesfeld neue Ziele definiert. Ist das eine verlässliche, bürgernahe und naturschutzfreundliche Politik? Kann es Ziel der Kreisverwaltung sein, zugunsten eines Lobbyisten neuen Deponieraum in einer ländlichen Region zu schaffen?
Die Historie in Rödder
Über Jahrzehnte wurde der Ton zur Ziegelherstellung abgebaut. Ein Grundwassersee war entstanden. 1990 wurde der Grundwassersee leergepumpt um weiter und tiefer Ton zu fördern. Sogenannte Grundwasserleiter werden dadurch gestört. Der Regierungspräsidenten Münster (RP MS) ordnet die zwingende Wiedereinbindung der Tongrube I (TG I) in die Landschaft nach Abgrabungsende durch einen See an. 1993 ist die Abgrabung ist beendet.
Im gleichen Jahr wird dem RP MS bekannt, dass die Firma Remex in dieser Grube eine Deponie anlegen will und sich deswegen der Oberkreisdirektor Coesfeld mit der Planung für eine Bodenaushub- und Bauschuttdeponie befasst. Die Bürgerschaft wehrt sich erstmalig deutlich gegen das Vorhaben und der RP MS meldet „erhebliche Bedenken“ an. Die Planung wird daraufhin eingestellt.
Die Firma Remex gibt nicht auf und beantragt 1994 bei der Kreisverwaltung die ehemalige TG I bis auf 1,50 m mit unbelastetem Bodenaushub zu verfüllen.
Im Vorfeld werden dazu die Naturschutzverbände zusammen von Remex und der Kreisverwaltung zum Verzicht auf den einst vom RP MS angeordneten See bewegt, indem ihnen die Kreisverwaltung nach mehreren Verhandlungen dafür ein für den Kreis Coesfeld sehr wertvolles Feuchtbiotop, das für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten wichtige Refugialräume bietet, schriftlich zusagt. 1996 genehmigt daraufhin die Kreisverwaltung den Remex-Antrag zur Verfüllung und hebt damit den Planfeststellungsbeschluss des RP MS von 1990 auf!
Auch beantragte Remex 1994 beim staatlichen Umweltamt in Münster (StUa) zur optimalen Verfüllung eine mobile Bauschuttaufbereitungsanlage. Das StUa MS genehmigt 1996 die Errichtung der beantragten mobilen Bauschuttaufbereitungsanlage.
1998 wird mit der Verfüllung der TG I begonnen.
2007 fragt Remex die Kreisverwaltung, ob sie in der benachbarten Tongrube II eine Deponie mit gefährlichen Abfällen angelegen darf. Das wird verneint, weil die Bestimmungen solche Deponien in Gruben nicht mehr zulassen! Dafür schlägt die Kreisverwaltung aber unverschämter weise das Gelände der verfüllten TG I vor!
Hier wird also von der Kreisverwaltung das Feuchtbiotop, der doch angeblich so bedeutende Umweltschutzbeitrag, der 1994 bis ins Detail mit den Naturschutzverbänden ausgehandelt wurde, mit einem Federstrich ohne Not aufgegeben und das nur zu Gunsten einer privatwirtschaftlich zu führenden Deponie, die nachweislich für den Kreis nicht benötigt wird. Der Kreis kann und darf für diese Deponie keinen Bedarf nachweisen, nur Remex hat ein privatwirtschaftliches Interesse, so wie ein Lebensmittelmarkt an einem Standort! Die damals beteiligten Naturschutzverbände wurden erst gar nicht eingeweiht, warum wohl?! Was ist das für eine Taktik?
Als 2009 die Verfüllung bis zur Biotopsohle abgeschlossen ist, Remex aber auf der verfüllten Grube eine 25 Meter hohe Deponie der Klasse I errichten will, wird die 1994 amtlich festgelegte Biotoptiefe von 1,5 Meter zur Restverfüllung per Änderungsanzeige am 27.02.2009 beantragt.
Vorteilhaft dabei wäre, dass kein weiterer Landschaftsverbrauch stattfände, so versucht die Kreisverwaltung COE ihr Tun zu erklären. Der ehemals vorhandene See (Auflage 1990) bzw. das geplante Biotop (Auflage 1996) stellten aber keinen Landschaftsverbrauch dar, sondern eine Wiedereinbindung in die Landschaft, im Gegensatz zu einer die Landschaft voll versiegelnden Deponie, deren Umfang nicht 4,3 ha wie die verfüllte TG I, sondern mit 8,5 ha doppelt so groß sein soll. Auffällig ist auch, dass in der Anlage zur Änderungsanzeige vom 27.02.09 ausgeführt wird, dass erste Schritte im Genehmigungsverfahren zur Errichtung der Deponie von Remex und vom Kreis Coesfeld schon erfolgt sind! Das ist auch der Fall, denn am 12.03.2009 ist bereits der sogenannte Scopingtermin (Treffen der Behördenvertreter mit den anerkannten Naturschutzverbänden und weiteren Experten) angesetzt, zu dem die Naturschutzverbände aber nicht geladen wurden, obwohl deren Zustimmung zur Abschaffung des Sees nur mit dem geplanten Biotop als Abschluss erreicht wurde, das jetzt still und leise abgeschafft und durch einen Deponieberg ersetzt werden soll. Heimlich still und leise und ohne das Anlieger etwas davon bemerken genehmigt der Kreis Coesfeld die Restverfüllung bereits am 12.05.2009. Die Restverfüllung bis zur planerischen Ausgangslage für eine oberirdische Deponie (DK I) wird vorangetrieben und ist kurzfristig im Wesentlichen abgeschlossen. Wieder wurde eine rechtlich verbindliche Festlegung abgeändert!!
Ende 2009 stellen Remex und der Kreis angeblich den Bedarf einer DK I Deponie fest und in Windeseile folgt das Antragsverfahren. Am 22.12.2009 gehen die Genehmigungsunterlagen von Remex in Coesfeld ein. Am 23.12.2009 wird das DK I Deponie Vorhaben im Amtsblatt bekannt gemacht. Der 30.12.2009 ist das Ausgabedatum des Amtsblattes. Das in der Weihnachtszeit, wo sich jeder Bürger weiß Gott mit anderen Dingen beschäftigt. Warum wurde der Zeitraum so gewählt und warum alles in diesem Eiltempo??
Nachdem 2 direkte Anlieger (von 10) und 2 Fraktionen im Dülmener Stadtrat von Remexvertretern über eine angebliche Fortsetzung der Verfüllung, verharmlosend als Boden- und Bauschuttdeponie oberhalb der verfüllten Tongrube I beschrieben, irregeführt wurden, stellt sich Anfang 2010 nach Klarstellung durch den BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) heraus, das dort auch gefährliche Abfallstoffe abgelagert werden könnten! Schlagartig bildet sich nach dieser Erkenntnis und der damit verbundenen Verheimlichung der wahren Absichten der Abfallfirma Remex ein massiver Widerstand in der Bevölkerung. Die Interessengemeinschaft Naturschutz Rödder wird gegründet.
Bislang sind vier, zum Teil umfangreiche Stellungnahmen der Interessengemeinschaft (IG) mit fast 16.000 Unterschriften gegen die geplante Deponie dem Landrat in Coesfeld übergeben worden. Ende 2010 demonstrierte die Bürgerschaft massiv gegen das Vorhaben in der Dülmener Innenstadt. Seit 2010 klagen die Naturschutzverbände (BUND + Nabu) vor dem Verwaltungsgericht in Münster gegen den Kreis Coesfeld wegen der Änderungsgenehmigung im Jahr 2009. Im August 2011 wendet sich die IG auch mit einem Apell an den Umweltminister des Landes NRW, Herrn Johannes Remmel.
Und!! Neben der Tongrube I gibt es 3 weitere Tongruben im Umkreis von nur 1000 m in Dülmen-Rödder. Auch dort gab es bereits zwei Änderungen von „rechtlich verbindlichen“ Festlegungen. So wird die Tongrube II zurzeit auch von Remex verfüllt, geplant war auch dort ein See. Mit der Genehmigung der Kreisverwaltung zur Verfüllung der Tongrube II wurde zunächst auch dort ein Biotop planfestgestellt. Aber kann man daran noch glauben wenn es heißt, dass die mobile Remex-Bauschuttaufbereitungsanlage im Bereich der TG I wegen der geplanten Deponie versetzt werden muss und deswegen zur gegebenen Zeit hierzu ein neuer BimschG-Antrag zu stellen ist. Wohin soll denn dann die mobile Remex-Bauschuttaufbereitungsanlage?
Abschließende Zusammenfassung
Wir, die Interessengemeinschaft Naturschutz Rödder, sind der Auffassung, dass die ständigen Abänderungen rechtlich verbindlich erfolgter Beschlüsse gegenüber den beteiligten Bürgern innerhalb von nur 20 Jahren gegen den Sinn dieser gesetzlich festgeschrieben Bürgerrechte verstoßen. Ein solches Handeln kann nicht demokratisch sein. Bei der in Rödder beschriebenen Situation lassen wir uns nicht mehr wie einst die Bären an der Nase herumführen: Erst mit Honig unsere Zustimmung zur Verfüllung eines Sees erschleichen (ein Biotop als Abschluss) und dann das genaue Gegenteil davon, uns einen Deponieberg mitten im schönen Münsterland vor die Nase zu setzten: Das dürfen und wollen wir uns nicht gefallen lassen!
Fast 16000 Unterschriften (in nur 6 Monate gesammelt) gegen das Deponievorhaben und gegen die Planung der Kreisverwaltung belegen unsere Auffassung und den weit verbreiteten Bürgerwillen. Alle 4 Tongruben haben zur Wiedereinbindung in die Landschaft planfestgestellte und hochwertige Beiträge zugunsten der Natur und des Naturschutzes zum Abschluss. Unsere seit Jahrzehnten geschundene Landschaft hat ein Recht darauf, wieder in die Landschaft integriert zu werden, erst recht dann, wenn uns seit Jahren dies mit rechtlich verbindlichen Auflagen zugesagt wurde. Durch den Tonabbau des Ziegelwerkes sind die Gruben entstanden. Derzeit wird im letzten, genehmigten Grubenabschnitt (TG IV) der Ton abgebaut. Das Ziegelwerk ist also zeitlich endlich wie die Gruben, ein Deponieberg ist es nicht!
Wir wollen und erhoffen uns die Unterstützung von vielen Menschen, dass das als Nachfolge des Sees mit unserer Zustimmung geplante Biotop verwirklicht wird und damit eine Wiedereinbindung in die Landschaft erfolgt, wie sie der RP Münster schon 1990 als Voraussetzung für die Genehmigung der Tonabgrabung in seiner Planfeststellung begründet hat. Und wir hoffen, dass wir Verwaltungsbeschlüssen danach wieder Vertrauen schenken können.